MDR1-Gendefekt beim Hund – Was bedeutet das genau?

MDR1-Gendefekt beim Hund

Hast Du schon mal etwas über den MDR1-Gendefekt bei Hunden gehört? Vielen Hütehundbesitzern sagt dieser Begriff etwas. Aber nicht nur Hütehunde können von diesem Gendefekt betroffen sein. Ich habe Miras Status bestimmen lassen. Was das Testergebnis besagt und was Du grundsätzlich über dieses Thema wissen solltest, erfährst Du in meinem Beitrag.

MDR1-Gendefekt – warum habe ich gerade jetzt den Status testen lassen

Ich hatte mich schon vor längerer Zeit mit dem Thema MDR1-Gendefekt auseinander gesetzt. Allerdings hatte ich Mira bisher nie testen lassen. Wie Du weißt, ist Mira sehr empfindlich und reagiert auf viele Sachen einfach extremer. Ich hatte meinen Tierarzt schon mal auf einen Test angesprochen. Doch dieser sagte nur: Sie lag doch schon mal in Narkose und da lief alles glatt. Diese lapidare Aussage hätte schnell nach hinten losgehen können. Und ich ärgere mich über mich selbst, darauf vertraut zu haben.

Nun war ich mit Mira Ende September in der Tierklinik in Lüneburg. Wie Du weißt, hat sie ein Sehnenleiden. Dennoch hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass mehr hinter dem Thema steckt. Ich wollte gerne ein MRT machen lassen. Im Anamnesegespräch fragte mich Dr. Schenk auch nach dem MDR1-Status. Diesen konnte ich nicht benennen. Auf die Aussage meines Tierarztes meinte er, dass es auch einfach Glück gewesen sein könnte.

Um ein hohes Risiko zu vermeiden, bat ich darum, Mira auf den MDR1-Gendefekt untersuchen zu lassen. Und nun liegt das Ergebnis vor. Doch bevor ich Dir nun von Miras Ergebnis berichte, möchte ich Dir gerne erst erklären, warum dieser Test so wichtig ist.

MDR1-Status beim Hund – was ist das und was bedeutet er?

Ganz einfach gesprochen handelt es sich um einen Gendefekt, der vererbt wird. Wenn Dein Hund von diesem Defekt betroffen ist, kann dies zu einer Überempfindlichkeit bei bestimmten Medikamenten führen.

Du kannst Dir diesen Gendefekt bildlich gesprochen wie eine kaputte Bahnschranke vorstellen. Nur handelt es sich eben nicht um eine Bahnschranke, sondern um die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Diese Schranke sorgt dafür, dass viele Arzneistoffe und giftige Stoffe nicht in das Gehirn Deines Hundes gelangen können. Sie wirkt also wie eine Schutzbarriere. Wenn Dein Hund Deinen MDR1-Gendefekt hat, ist diese Schutzbarriere gestört oder „komplett lahm gelegt“.

MDR1-Gendefekt Verhaltensauffälligkeiten
Der Gendefekt wirkt sich aber nicht nur auf die Verträglichkeit von bestimmten Arzneistoffen aus, sondern kann auch einen Einfluss auf den Umgang mit Stress haben.

Durch diese Störung gelangen Wirkstoffe unter anderem ungehindert in das Gehirn und können dort wie Gift wirken. Du kannst Dir sicherlich vorstellen, dass dieser Vorgang neurologische Auswirkungen auf Deinen Hund hat. Aber nicht nur im Gehirn befindet sich diese MDR1-Schranke. Sondern auch in der Plazenta und im Hoden. Sogar in der Niere, in der Leber und im Darm sorgt der MDR1-Transporter dafür, dass Dein Hund Medikamente und Giftstoffe aufnehmen bzw. ausfiltern und ausscheiden kann.

Und zuguter letzt wirkt sich der MDR1-Gendefekt auch Cortisol und Corticosteron aus. Hierbei handelt es sich um Hormone aus der Nebenniere. Vielleicht hast Du vom Cortisol schon mal in Zusammenhang mit der Bezeichnung „Stresshormon“ gehört? Es wird hauptsächlich ausgeschüttet, wenn Dein Hund sich in einer stressigen Situation befindet. Cortisol ist lebenswichtig. Allerdings führt der Defekt an der Blut-Hirn-Schranke durch den MDR1-Gendefekt dazu, dass das Cortisol als auch das Aldosteron bei jeder aufregenden Situation in das Nervengewebe des Hirns eintreten. Einige Hunde zeigen auch eine heruntergesetzte Schilddrüsenfunktion.

Was kann der MDR1-Gendefekt mit Verhaltensauffälligkeiten zu tun haben?

Ein unerkannter MDR1-Gendefekt kann also auch ein Auslöser oder zumindest ein „Verschlimmerer“ von Verhaltensauffälligkeiten sein. Denn gelangt das Corstisol in das zentrale Nervensystem, kann der Körper und die Psyche damit nicht umgehen. Als Folge kann Dein Hund mit Situationen nicht umgehen, wirkt richtig „kopflos“ und kann reaktiv reagieren. Vor allem lang anhaltender Stress kann starke Auswirkungen auf Deinen Hund haben. Das beste Training kann dann nicht helfen, weil Dein Hund einfach nicht aufnahmefähig ist.

Nun könntest Du es Dir einfach machen und eine Selbstdiagnose stellen: Du hast eine möglich betroffene Rasse und Dein Hund zeigt bei Stress starke Reaktionen. Also wird er wohl vom MDR1-Gendefekt betroffen sein! So einfach ist es aber nicht. Eine sichere Diagnose erhältst Du nur über eine Blutuntersuchung.

Daher ist es wichtig, Hunde von oben bis unten zu untersuchen, wenn sie Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Erst nach einem gesundheitlichen Check Up kann ein effektives Training begonnen werden.

Welche Rassen sind vom MDR1-Gendefekt betroffen?

Um es vorweg zu nehmen: Nicht alle Hunderassen sind von diesem Gendefekt betroffen. Man geht davon aus, dass der MDR1-Gendefekt auf einen einzigen Collie zurück geht, der es vererbt hat. An dieser Stelle ist es also für Dich wichtig zu wissen, welche Rassen das sein könnten. Denn bei vielen ist das gar nicht so eindeutig wie Du denkst. Daher möchte ich Dir die Hunderassen nennen, bei denen der Gendefekt nachgewiesen werden konnte. Bitte beachte, dass es natürlich genauso gut Mischlinge treffen kann. Wenn Du Dir bei Deinem Hund aufgrund unbekannter Vorfahren nicht sicher bist, lasse zur Sicherheit lieber einen Test machen!

  • Collie (Langhaar und Kurzhaar)
  • Longhaired Whippet
  • Miniature Australian Shepherd
  • Australian Shepherd
  • McNab
  • Shetland Sheepdog
  • English Shepherd
  • Wäller
  • Weißer Schäferhund
  • Silken Windhound
  • Deutscher Schäferhund
  • Old English Sheepdog (besser bekannt unter Bobtail)
  • Border Collie

Nur durch einen Test kannst Du Deinen Hund vor einem hohen Risiko schützen. Denn gewisse Medikamente können beim MDR1-Gendefekt sogar tödlich enden. Und wie etwas weiter oben beschrieben kann dieser Defekt Euren ganzen Alltag bestimmen.

MDR1-Gendefekt beim Australian Shepherd
Der Australian Shepherd gehört zu den Hunderassen, bei denen der MDR1-Gendefekt bereits nachgewiesen wurde. Derzeit geht man davon aus, dass neben den genannten Rassen auch weitere Hunderassen betroffen sein könnten. Hierfür gibt es aber noch keine ausreichenden Studien.

Wie wird der MDR1-Status beim Hund bestimmt?

Der Status wird durch eine Blutprobe bestimmt. Ich habe dies direkt in der Tierklinik Lüneburg machen lassen. Du kannst das aber natürlich auch bei Deinem Haustierarzt in Auftrag geben. Deinem Hund wird Blut abgenommen und in ein Labor geschickt. Auf das Ergebnis musst Du ein paar Tage warten. Bei mir hat es ungefähr eine Woche gedauert.

Der Test kostet zirka 70 Euro und ist jeden Cent wert!

Was bedeutet das Ergebnis vom MDR1-Gentest beim Hund?

Das Ergebnis wurde mir per Email zugesendet und der behandelnde Arzt hat mich zusätzlich angerufen. Dein Hund kann den Genstatus MDR1(-/-), (+/-) oder (+/+) haben.

  • Frei vom Gendefekt sind Hunde mit dem Status (+/+) 
  • Bei dem Status (+/-) wurde der Status von einem Elternteil vererbt. Die Aktivität von MDR1 ist reduziert und betroffene Hunde können eine Arzneistoffsensitivität vorweisen
  • Sollte das Ergebnis (-/-) sein, ist Dein Hund vollumfänglich vom MDR1-Defekt betroffen

Grundsätzlich sollten Hunderassen, die vom MDR1-Gendefekt betroffen sind, immer getestet werden. Vor allem Zuchttiere müssen getestet werden, damit der Gendefekt nicht weiter vererbt wird. Aber auch vor der Gabe von für den Gendefekt gefährlichen Medikamenten ist ein Test empfehlenswert. Seriöse Züchter führen diesen Test übrigens bei ihren Tieren durch. Lasse Dir die Ergebnisse unbedingt zeigen.

Sofern Du einen Hund aus einer prädisponierten (vorbelasteten) Rasse oder einen Mischling bekommst, lasse es am besten direkt einmal abchecken. So bist Du auf der sicheren Seite und gehst keine unnotwendigen Risiken ein.

MDR1-Gendefekt Ergebnis von Mira
Hier siehst Du das Ergebnis von Mira.
Mira hat den Status (+/-). Ein Elternteil hat den Gendefekt also weitervererbt. Ich bin sehr froh, dass ich den Test endlich durchgeführt habe. Mit diesem Wissen kann ich umsichtiger reagieren. Mache bitte nicht wie ich den Fehler und warte zu lange mit dem Test.

Welche Medikamente sind bei einem MDR1-Gendefekt gefährlich?

Hunde mit dem Status (+/-) wie bei Mira reagieren auf gewisse Arzneistoffe sensibler als Hunde ohne diesen Gendefekt. Hierzu gehören Zystostatika (sie werden zur Behandlung bei Krebs eingesetzt und sollen Krebszellen zerstören) als auch Makrozyklischen Laktonen (werden in Antiparasitikum eingesetzt).

Bei einem Status (-/-) gibt es noch wesentlich mehr zu beachten. Ich möchte Dich an dieser Stelle auf die Seite  der PGvet verweisen. Dort findest Du eine Liste aller Medikamente, die für Deinen Hund kritisch werden können. Übrigens auch eine klare Empfehlung für diese Seite. Ich habe in meinem Text versucht, den MDR1-Gendefekt möglichst einfach und bildlich zuveranschaulichen. Auf dieser Seite findest Du noch viele weitreichendere Informationen.

Neben verschiedenen Antiparasitika mit bestimmten Wirkstoffen und den eben bereits genannten Zystostatika zählen auch Antiemetika mit dem Wirkstoff Ondansetron (gegen Übelkeit und Erbrechen), Antibiotika mit dem Wirkstoff Erythromycin (bei Infektionen hauptsächlich in den Atemwegen wie Bronchitis, aber auch bei Mittelohrentzündungen), Herz-Kreislauf-Therapeutika mit Digoxin, Optiode mit Loperamid, Blutorphanol und Apomorphin als auch Neuroleptika mit Acepromazin zu den für Deinen Hund gefährlichen Medikamenten. (Quelle: TransMIT-Zentrum für Pharmakogenetische Diagnostik (PGvet))

Sobald Dein Hund einen (-/-) Status oder wie bei Mira einen (+/-) Status hat, solltest Du zudem bei der Gabe von Antiparasitika aufpassen. Zeckenschutzmittel können für Deinen Hund bereits negative Auswirkungen haben. Lasse Dich also unbedingt von Deinem Tierarzt beraten, welches Medikament unbedenklich ist.

Was bedeutet das Ergebnis nun für uns?

Grundsätzlich muss ich bei Mira nichts ändern. Denn aktuell erhält sie keine Medikamente, die kritisch werden könnten. Dennoch werde ich das Testergebnis ausdrucken und ihrem Impfpass beilegen bzw. in ihren EU-Heimtierausweis eintragen lassen. Auch bei bei unserem Tierarzt werde ich das Ergebnis hinterlegen lassen.

Sofern wir zu einem Notdienst müssen, ist es wichtig, das sich auch dort auf den Status hinweise. Mira erhält ein Zeckenschutzmittel als Spot-On. Dieses ist aber unbedenklich bei ihrem Status.

Auch wenn sich aktuell für uns durch das Ergebnis nichts ändert, ist es ein gutes Gefühl, nun zu wissen, worauf ich achten muss. Denn so kann ich verhindern, dass Mira ein Medikament erhält, was sie nicht verträgt. Die Investition in diesen Test hat sich also wirklich für mich gelohnt und ich kann ihn auch Dir ans Herz legen.

Aber erzähle mir doch gerne mal: Hast Du eine Hunderasse, die vom MDR1-Gendefekt betroffen sein könnte? Und hast Du Deinen Hund testen lassen? Welches Ergebnis kam dabei raus?

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5 Kommentare bei „MDR1-Gendefekt beim Hund – Was bedeutet das genau?“

  1. […] Neben anderen Vorsichtsmaßnahmen nutze ich bei Mira ein SpotOn. Wie Du aus meinem Beitrag zum MDR1-Gendefekt weißt, musst Du bei einigen Hunden genau darauf achten, zu welchem Medikament zu greifst. Wir […]

  2. Danke für den tollen Artikel!
    Wir haben eine 1,5-jährige Border Collie Hündin, die demnächst ein Hüftröntgen bekommen soll, bevor es an den Hundesport geht. Die Züchterin sagte, MDR1 sei kein Problem, weil die Elterntiere negativ sind.
    Dein Beitrag hat mich aber ermutigt, mich hier noch einmal gründlicher zu informieren und auf Nummer sicher zu gehen – danke!

    1. Liebe Andrea,
      soweit ich weiß, sollte Deine Hündin dann auch MDR1 frei sein, wenn es die Eltern wirklich sind. Ich würde aber auf Nummer sicher gehen. Meine Empfehlung wäre auch, dass Du beim Röntgen auf das PennHipp Röntgen bestehst. Meine Hündin hatte im normalen Röntgen eine A-Hüfte. Beim Penn-Hipp-Röntgen wurde eine zu lockere Hüfte festgestellt. Leider bieten das nicht alle Tierärzte an und Du musst Dich vorher erkundigen, wo Du das machen lassen kannst. Liebe Grüße, Wiebke

  3. Liebe Wiebke
    Besten Dank für deinen Artikel.
    Mit uns leben drei Langhaarcolliedamen. Unsere Älteste ist 14 Jahre alt und hat MDR 1 -/-, ist kastriert und laut Tierärztin sehr gesund für ihr Alter. Die Zweitälteste ist 7 Jahre, ausgebildete Schulhündin mit MDR1 +/-, gesund und unkastriert. Die Jüngste ist 1 1/2 Jahre alt, ebenfalls ausgebildete Schulhündin mit MDR 1 -/-, gesund und unkastriert. Als wir unseren ersten Collie bekommen haben, war ich sehr gestresst wegen der Diagnose MDR 1 -/-. Ich hatte die Befürchtung, dass sie nicht alt werden würde. Aber mir dem heutigen Wissen über den MDR 1 Defekt ist die Gefahr einer falschen Medikation eher gering. Wenn der Hund getestet wurde, kann der Tierarzt auch die entsprechenden Medikamente oder bei einer OP eine verträgliche Narkose einsetzen. Ich bin nach wie vor sehr vorsichtig bei Futterzusätzen und auch mit dem Einsatz von Hausmittelchen. Unsere Älteste wurde mit 6 Jahren wegen einer Gebärmutterentzündung kastriert. Die OP ist gut verlaufen, aber die Naht hat sich entzündet. Wie du schreibst, ist bei MDR 1-/- der natürliche Ausstoss von Cortisol bei Stress, also auch nach einem Unfall oder einer OP gestört. Die Hunde können zwar Cortisol bilden, wegen des Defekts wird aber kein oder zu wenig Cortisol ausgeschüttet (nachzulesen UNI-Giessen MDR 1 Defekt). Unserer Hündin hat das verabreichte Antibiotikum nicht geholfen. Erst eine Gabe Kortison hat geholfen. Das wissen leider nicht alle Tierärzte. Ich musste meinem Tierarzt über den Artikel der UNI Giessen aufklären. Unsere beiden MDR 1 -/- Hündinnen sind übrigens viel stressresistenter als unsere MDR 1 +/- Hündin. Das der Defekt also das Verhalten beeinflusst kann ich bei unseren Hündinnen nicht bestätigen. Sensibilität im Verhalten ist oft auch ein rassetypischer Wesenszug und somit auch von den Eltern abhängig. Ich finde es toll, dass du die Hundehalter über den MDR 1 Defekt aufklärst. So können hoffentlich unnötige gesundheitliche Komplikationen oder gar Todesfälle verhindert werden.

    Liebe Grüsse
    Brigitte

    1. Liebe Brigitte, vielen Dank für Dein ausführliches Kommentar. Ich bin mir sicher, dass Deine Erfahrung vielen weiterhelfen wird. Das Problem mit der Sensibilität ist, dass einfach so viele Faktoren mit reinspielen, dass man es nie ganz genau sagen kann, wieso es so ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass Hunde mit dem MDR1 Gendefekt alt werden können. Es ist nur wichtig, darum zu wissen und deswegen zu testen. Ich finde es klasse, dass Du all Deine Hunde testen lassen hast. Liebe Grüße an Dich und Deine Vierbeiner, Wiebke

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